Wenn man mehrer Tage lang in einer gut frequentierten Ankerbucht liegt, gibt das genug Gelegenheit für einige Ankerimpressionen, Ankerkino und sogar die Teilnahme an letzterem.
Ich liege ja nun friedlich vor meinem 33kg Rocna an 55m Kette und habe wegen der vorhergesagten Böen der Stärke 7 aus SE noch einen Kedge (gibt es dafür eigentlich einen eingängigen deutschen Begriff ?) in diese Richtung in Form eines 22kg CQR an 10m Kette und 40m Trosse ausgebracht. Ist vielleicht nicht notwendig, aber besser als mitten in der Nacht mit slippendem Anker zu kämpfen, insbesondere wenn man allein an Bord ist.
Die Bucht selbst ist in der Mitte durchgängig ca. 12m Tief und nur auf den letzten 30m zum Ufer steigt der Meeresgrund steil an.
Die Yachten ankern alle am West- und Südufer mit Landleinen.
Soviel zum Setup.
Montag:
Neben mir will eine Yacht französischer Crew (3 Paare) festmachen. Es ist schon abzusehen, daß der Anker viel zu kurz fallen wird, darum spiele ich mal George aus Kalamos: "More chain, you need more chain !"
Das sehen sie ein und machen einen neuen Anlauf. Diesmal mit genug Kettenlänge und der Anker greift auch. Schwups wird eines der Mädels an Bord mit der Leine ins Wasser geschickt. Mit der ganzen Leine !! So 50m Leine wiegen ja auch ihre 10 kg. Das realisiere ich aber erst, als das Mädel fast am abtauchen ist. Der Grieche auf der anderen Seite war schneller und kommt mit dem Dinghy zu Hilfe und gemeinsam stellen sie die Leinenverbindung her.
Gegen Mitternacht (da zahlt sich doch mal die Ankerlaterne aus) schiebt sich noch eine andere Yacht auf meine andere Seite. Deutsche wie an den markigen Kommandos unschwer zu identifizieren. Man ist sich zwar nicht sicher, ob der Anker hält, holt ihn aber mal trotzdem an, bis nur noch 20m Kette draußen sind (auf 10m Tiefe wohlgemerkt !) - und legt sich schlafen.
Zum Glück ist kein Wind und da reicht auch ein Gewichtsanker.
Dienstag:
Die Yacht mit der deutschen Crew legt, als nach dem Frühstück Wind aufkommt, einen Alarmstart hin, da sie unweigerlich auf Drift geht.
Weiter hinten in der Bucht fährt eine Yacht zielstrebig rückwärts in eine Lücke - ohne jedoch den Anker fallen zu lassen. Die Nachbarn können diesen Skipper jedoch davon überzeugen, daß es taktisch unklug ist, erst die Landleinen auszubringen und dann den Anker senkrecht fallen zu lassen. Auch wenn ich das bei manchen Fähren (bei Flaute) schon so gesehen habe. Aber deren Anker ist auch ein bischen schwerer.
Mittwoch:
Die Franzosen sind inzwischen weg und werden durch ein niederländisches Paar ersetzt. Ich wollte mich schon ins Dinghy schwingen, um beim festmachen zu helfen, aber die beiden machen das nicht zum ersten mal. Sie hält das Schiff auf Position, während er mit Leine an Land schwimmt.Nach kaum 5 Minuten ist das ganze erledigt. Da habe ich achtköpfige Crews schon deutlich länger für brauchen gesehen.
Doch auch die besten sind nicht dagegen gefeit, daß der Anker nicht hält. Also das ganze von vorne, und damit beginnt die Hauptvorstellung der Woche. Der slippende Anker der Niederländer hat sich in meinem Kedge verfangen. Eigentlich kein großes Problem. Damit hatte ich früher oder später gerechnet. Ich fiere die Ankertrosse, aber leider ist die Ankerwinsch des Nachbarn zu schwach, um mit dem zusätzlichen Gewicht fertig zu werden.
Immer wieder springt die Kette über die Nuß und der Anker geht wieder ein paar Meter tiefer. Bei den ergebnislosen Versuchen, das Geschirr samt Kedge nach oben zu befördern, treibt die Yacht über die Kette meines Hauptankers. Und durch das auf und nieder ihrer Kette hat sie nun auch noch meine Hauptkette zu fassen bekommen. Dabei verliert sie allerdings meinen Kedge, der es irgendwie schafft sich um meine Kette zu wickeln. Ich starte die Maschine um in die Achterleinen einzudampfen, während ich nochmal 30m Hauptkette nachgebe.
Mit Unterstützung zweier Dinghys und meinem erst in Poros erstandenen Kettenfanghakens bekommen sie ihren Anker endlich frei, ich kann meine Kette wieder dichtnehmen und sie können neu ankern. Ich warte inzwischen bereits mit ihrer Landleine im Dinghy auf sie. Danach schaue ich mir an, was das ganze mit meinem Grundgeschirr angerichtet hat. Der Rocna liegt noch sicher eingegraben an alter Stelle. Der CQR aber liegt samt Trosse neben und über der Hauptkette. Der Versuch, ihn mit der Winsch einzuholen schlägt fehl, eben so vom Dinghy aus. Also ebenfalls neu ankern. Ich drücke einem der Helfer von eben mein Dinghy in die Hand und bitte ihn, mit meiner Landleine auf mich zu warten.
Nach gut zwanzig Metern Kette ist jedoch Schluß. Sie hat sich einmal um den Schaft des CQR gewickelt und desse Trosse samt Kettenvorlauf sieht auch nicht besser aus. Auch hier sind wieder zwei Dinghys und diverse Hilfsleinen und Kontruktionen erforderlich, bis der CQR endlich wieder an Deck liegt und ich wieder die Landleine in Empfang nehmen kann. Das ganze hat mindestens zwei Stunden gedauert, gefühlt den halben Tag.
Ich unterhalte mich noch ein wenig mit den Niederländern Sie bekommen auf jedenfall Sonderpunkte für kreatives Makramee. Sie haben das Schiff gleich für drei Monate gechartert und können sich nicht über einen ereignislosen Törn beklagen, inklusive verlorenem Propeller. Da ist der "Greek Salad", wie mein englischer Nachbar zur linken es nannte, fast schon trivial.
Später am Tag schiebt sich noch ein Schiff mit sprachlich nicht einzuordnender Crew zwischen mich und den Engländer. Der Wind drückt es auf Kuscheldistanz an mich heran. Auf meine Bitte, doch auch eine Luvleine auszubringen und die Ankertrosse dichtzuholen, heißt es man müsse erst die Lage des Ankers kontrollieren - wozu ein Junge mit Schnorchel und Brille ins Wasser geschickt wird. Immerhin bedankt man sich dafür, daß mich meinen dicksten Fender zwischen uns hänge. Neh Jungs... das habe ich nicht für euch getan
Irgendwann kommt dann doch noch die Luvleine, aber so richtig dichtnehmen mag man die nicht. Wahrscheinlich ist der Skipper Physikprofessor und möchte seiner Crew etwas über Aufenthaltswahrscheinlichkeiten im Rahmen der Heisenbergschen Unschärfebeziehung beibrigen. Jedenfalls eiert das Schiff zwischen Engländer und mir wie ein Jojo hin und her.
Das hindert freilich eine rumänisch besetzte Yacht am späten Abend nicht, noch zu versuchen in die Lücke zwischen mich und das Jojo-Schiff zu gelangen, als dieses gerade im englischen Hoheitsgebiet ist. Ich überzeuge sie mühsam, doch auf meine Steuerbordseite zu kommen, denn da ist wesentlich mehr Platz - und der Kedge ist ja inzwischen auch weg. Ich erkläre mich auch bereit, ihre Landleine im Dinghy zu übernehmen. Als ich diese dann als Luvleine an Land ausgebracht hatte, erfahre ich, daß man auf dem Schiff nur eine (eine !) Leine hat. Hm.. warum ankern hier wohl alle ausnahmslos mit zwei Landleinen ?
Auf den Vorschlag mehrere kurze Leinen zusammenzuknoten geht man nicht ein und düst dann doch lieber Richtung Nea Klima ab. Nun ja, der SE ist ja am abflauen, bis zum Morgen sollte sich der Schwell dort beruhigt haben...
Beim Plausch mit den Engländern erfahre ich dann, daß der Skipper des Jojo-Schiffes sich mit zwanzig Jahren Erfahrung gebrüstet hat, als er seinen Anker anfangs nicht nur über die Kette des Engländers sondern auch noch die dessen anderen Nachbarn werfen wollte. Na denn... Da die Crew gerade mit dem Dinghy zum Essen gefahren ist, nimmt ein kleiner Seekobold unbemerkt die (nicht einmal belegte) Backbordleine dichter. Das merkt da vermutlich nicht mal jemand.
Donnerstag:
Die JoJo Yacht zu meiner linken löst gegen 08:30 die mir zugewandte Leine. Die wollen ja früh los, denke ich. Nö, nun wird erstmal der Außenborder verstaut und dann in Ruhe gefrühstückt. Drei Stunden später geht es dann endlich los. Glücklicherweise kam in der ganzen Zeit kein Wind aus dieser Richtung auf.
Eine weitere Yacht läuft mit schäumender Bugwelle in die Bucht ein. Schwimmer ? Ach was, Schwund gibt's immer... Schwungvoll dreht sie ein, läßt den Anker fallen und geht rückwärts in eine Lücke. Landverbindung und.... das ganze noch mal, diesmal deutlich bedächtiger, dann hat der Anker auch eine Chance zu greifen....
Neben mir macht wieder jemand mit viel zu kurzer Kette fest. Das war abzusehen, da der Kettenmann während der Rückwärtsfahrt über viele Meter keine Kette kommen lies. In eigenem Interesse schnappe ich mir wieder Maske und Schnorchel... Der Anker liegt schön 10 m vor der Yacht auf dem Boden. Der Skipper hat sich das immerhin schon gedacht. Also alles auf Anfang. Beim zweiten Versuch klappt es. Auch wenn die Leinen Crew die nun irgendwie kürzer gewordene Leine noch einmal verlängern muß - mit einem Hausfrauenknoten.
Mein anderer Tagesnachbar ist diesmal eine deutsche Familie. Als dicht auf ihrer anderen Seite eine mit Österreichern besetzte Yacht festmacht, schlage ich den Deutschen vor, etwas weiter zu mir rüber zu ziehen, "sonst drängelt sich da auch noch einer dazwischen" - was unsere beider Wohlfühldistanz deutlich unterschritten hätte. Die Idee fanden sie gut.
Ankerimpressionen
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