In Ermioni gibt es fliegenden Wechsel. E. geht von Bord und K. kommt wieder. Die beiden begegnen sich sogar noch am Flughafen und halten ein Schwätzchen.
Eigentlich wollten wir bald Richtung Poros und von dort weiter Richtung Kykladen, den ab dem 15.10. habe ich wieder meinen Winterplatz in Agios Nikolaos auf Kreta. Ein Tief zwischen Libyen und Sizilien und ein Hoch über Bulgarien sorgen für Meltemi-Gefühl. Kein echter Meltemi, denn dazu müsste die Druckverteilung eine andere sein. Die Auswirkungen für die nördliche und mittlere Ägäis bis runter zum Peloponnes sind aber die gleichen. NE mit 30+ kn.
Ermioni ist für dieses Wetter ein denkbar schlechter Ort. Lediglich im inneren Hafenbecken ist ein gewisser Schutz gegegen, aber selbst dort ist man dem in die Bucht einlaufenden Schwell noch ausgesetzt.
Also machen wir nochmal einen Großeinkauf und verholen uns in die 2,5 sm entfernte Bucht Ormos Dartitza, die guten Schutz gegen die zu erwartenden Winde und Schwell bietet.
Die nächsten Tage liegen wir dort gar nicht mal so unangenehm und K. kann sogar Touren an Land unternehmen. Allerdings ist die Ecke an Land wirklich recht tot. Ein paar halb verfallene Gebäude und einzelne bewohnte. Früher wurde ihr wohl Stein abgebaut, wie die Überreste der Verladeanlage bezeugen.
Einen verfallenen Anlegesteg sehe ich mir mit dem Dinghy näher. Beim Wenden für die Rückfahrt habe ich plötzlich zwei Stahlstäbe direkt vormir, dicht unter der Wasseroberfläche. An Aufstoppen oder Abdrehen ist nicht mehr zu denken. Ich schaffe es gerade noch, die Stäbe mit dem Rumpf und nicht mit den Schläuchen zu erwischen. Es knirscht und ich sitze erstmal fest. Mit Gewichtsverlagerung nach achtern komme ich aber schnell wieder frei. Es lebe der Metallrumpf des Dinghies !
Während ich aufmerksam die Wetterberichte verfolge zeichnet sich die Möglichkeit ab, dass sich das Tief nördlich Libyens, dass und den Starkwind beschert zu einem Medicane (= Mediterranean Hurricane) entwickeln könnte. Diese Biester sind recht selten und treten im Mittelmeerraum vielleicht 1-2 mal im Jahr auf. Diese schweren Stürme haben die Eigenschaften eines tropischen Wirbelsturms, erreichen jedoch selten Katergory 1.
Nur das europäische ECMWF Modell sieht bisher diese Entwicklung. Die anderen Wettermodelle, die ich beobachte, zeigen nichts. Spätestens am Donnerstag ist es jedoch amtlich. Das Ding hat einen Namen (Sorbas oder Zorbas) und kommt !
Zorbas verspricht Wind mit 60+ kn. Noch scheint es, dass wir hier liegen bleiben können. Das Auge soll deutlich südlich vorbei ziehen, so dass hier der Wind bei NE bliebe. Lediglich das WRF Wettermodell spricht von einem nördlicheren Kurs, der für uns SE mit 45+ kn in einer nach Süden offenen Bucht bedeuten würde. Nicht gut.
Am Freitag Mittag haben sich auch die anderen Modelle auf den nördliche Kurs eingeschossen. Das Auge geht genau über unsere Bucht. Ich rufe K. die an Land wieder ihrem Bewegungsdrang nachgeht, zurück und wir nehmen Anker und Beine in die Hand und erreichen noch kurz vor der Dunkelheit die Bucht von Kilada, die wesentlich besseren Schutz verspricht. Kurz hatte ich Porto Heli in betracht gezogen, aber ich befürchtete - was sich später aus Berichten anderer Segler auch bestätigte - das diese Idee viele hatten und weiträumige Bucht rappelvoll ist.
In Kilada hingehen haben wir viel Platz. Wir ankern auf 3,5m Wassertiefe und stecken 50m Kette. Mehr wäre möglich, aber mehr als waagrecht kann der Ankerschaft auch nicht liegen.
Wärend die Nacht noch recht ruhig verläuft lesen wir, wie in den meisten Teilen Griechenlands der Fährverkehr eingestellt wird und sehen beeindruckende Bilder vom westlichen Peloponnes, wo der Sturm zuerst auf die Küste trifft.
Am Samstag morgen werden wir von einer 45er Bö erstmal halb auf die Seite gelegt. Danach pendelt sich der Wind bei 25-35kn aus ESE ein mit ein paar Drückern dazwischen.
Die Sicht ist quasi nicht vorhanden.
Hin und wieder legt der Regen eine kurze Pause ein
Das Wasser färbt sich zunehmend braun, von dem ganzen Zeugs, das vom Regen ins Meer gespült wird.
Wir liegen trotz des Windes hier recht ruhig. Es pfeift und orgelt zwar, aber die Wellen stören nicht sonderlich. Gegen Abend, passend zum Abendessen, ist es vorbei - meint K. Ich schüttele nur den Kopf. Da kommt noch mehr.
Kaum zwei Stunden später ist das Auge dann auch vorbei gezogen und wir haben wieder 25-35 kn Wind. Diesmal aus WNW. Die Wellen werden nun unangenehmer, da wir nur eine kleine Insel im Eingang der Bucht als Schutz haben. Erst um 3 Uhr in der Nacht geht der Wind auf ein normales Maß zurück.
Während wir am nächsten morgen zurück nach Ermioni fahren, dürfen sich die Kollegen in den Sporaden noch auf Zorbas freuen. Als wir an Porto Heli vorbeifahren sehe ich, dass dort immer noch die Bucht zugeparkt ist.
Kilada war eindeutig die richtige Entscheidung. Dort lagen wir so sicher wie man unter den Umständen liegen konnte. Lediglich unser Ruckdämpfer für den Anker ist nun eingerissen und muss wohl bald erneuert werden.
Die meisten Schiffe in den umliegenden Häfen lagen deutlich unangenehmer und trugen teilweise Schäden davon. In Poros wurde die Nordpier gesperrt und der Schwimmsteg ging mal wieder auf Wanderschaft. Der erst neu installierte Stegbelag wurde ziemlich ramponiert. Erschreckend auch, das so mancher Segler gar nichts von dem Sturm wusste. "Cyclone ?" "Here ?"
In Ermioni hatte die Taverne Gonossis direkt am Hafen erhebliche Probleme, als die Brecher in den Gastraum schlugen. Auch am Sonntag war der Fährverkehr noch teilweise eingestellt. Selbst im Saronischen Golf verkehrten nur die großen Fähren, nicht die Dolphins und Cats.
In Lefkas sank eine Yacht an der Pier, im Süden des Peloponnes strandeten weitere. Die gewaltigen Regenmengen spülten mancherorts ganze Autos ins Meer.
Auch hat sich wieder einmal gezeigt, dass man sich nicht auf ein einzelnes Wettermodell verlassen darf. Ich habe während der kritischen Zeit diverse Modelle miteinander verglichen (ECMWF, ICON, PWE, WRF und GFS), die von PredictWind, Windy und Openskiron bereitgestellt werden. Das GFS Modell zeigte erneut seine mangelnde Brauchbarkeit für Gebiete wie die griechischen Inseln während das WRF Modell am frühestens die korrekte Zugbahn berechnete.